“Und Friede auf Erden!”, Mays erster großer Altersroman, bildet das Zentralthema dieses dritten Jahrbuches.
- Eine Interpretation des vielverkannten Buches, die vor allem seinem tragenden und zugleich schwierigsten Handlungsmotiv, der Krankheit Wallers und seinen Visionen, gewidmet ist, gibt Hans Wollschläger Veranlassung zu einer großangelegten tiefenpsychologischen Charakteranalyse Mays. Seine Studie ist – das steht außer allem Zweifel – die präziseste und einfühlsamste Seelendeutung, die “das Phänomen Karl May” in der Sekundärliteratur bisher erfahren hat. Sie erhellt den Zusammenhang, der zwischen der seelischen Verfassung Mays, der Beschaffenheit seiner Werke und der Wirkung dieser Bücher auf den Leser besteht, und gibt damit der Literaturpsychologie wichtigstes Material an die Hand; sie zeichnet die innere Biographie Mays von der Tragödie seiner Kindheit bis zur menschheitlichen Überhöhung seiner Ich-Gestalt im Alter mit bisher nicht gekannter Folgerichtigkeit nach. Die Arbeit Wollschlägers liefert außerdem einen Schlüssel zur Deutung wesentlichster Bezirke im Spätwerk Mays. Sie beweist endgültig, dass es nicht verkrampfte Anmaßung, sondern – recht verstanden – schlichte Wahrheit war, wenn May im Alter sagte: “Ich schreibe nicht Romane und nicht Reiseerzählungen, sondern ich bin Psycholog.” Die definitive Verifizierung dieser These hebt Mays Friedens-Buch aber auch literarisch in einen weit höheren Rang, als man ihm bisher hat zugestehen mögen.
- Die Abhandlung von Ekkehard Bartsch hat die “Entstehung und Geschichte” des Buches auf dem Hintergrund der Zeithistorie sorgfältig rekonstruiert und lehrt manches anders sehen, als man es bisher angenommen hatte.
- Die werkgeschichtliche Darstellung wird ergänzt durch die von Hansotto Hatzig übersichtlich zusammengestellten Textvarianten der Erstfassung.
- Ein viel beredetes, aber wenig geklärtes Thema wird durch den Beitrag Heinz Stoltes zum erstenmal umfassend aufgearbeitet: die pädagogische Beurteilung der Wirkung, die Mays Schriften auf die Jugend unvermindert ausüben. Die jahrzehntelange Diskussion dieser Frage hat über eine verwirrende Fülle meist reichlich hausbackener Meinungen und Gegenmeinungen bisher kaum hinausgeführt. Stoltes Arbeit, deren ersten Teil dieses Jahrbuch vorlegt, schafft hier eine Grundlage, die in Zukunft ein differenzierteres Urteil ermöglichen wird.
- Die biografischen Arbeiten über die – von der Forschung bisher am wenigsten ergründete – abenteuerliche Frühzeit Mays werden mit den Abhandlungen von Klaus Hoffmann und Hainer Plaul fortgesetzt. Ihre Beiträge, die längst verloren geglaubtes Quellenmaterial mit akribischer Detailbesessenheit ausschöpfen, gestatten es, den merkwürdigen Wegen Karl Mays in der Zeit seiner Straftaten mit höchsterreichbarer Genauigkeit nachzugehen.