DAS VIERZEHNTE JAHRBUCH der Karl-May-Gesellschaft bringt mehrere Beiträge, die sich mit Arbeiten befassen, die im letzten Lebensjahrzehnt Mays entstanden sind und in denen der Autor nach der Meinung aller urteilsfähigen Kenner die ihm mögliche literarische Vollendung bewusst erstrebt hat.
- Hartmut VolImer und Dieter Sudhoff zeigen dafür treffliche Beispiele auf:
- Vollmer deutet Mays späte Novelle “Bei den Aussätzigen” in einer ausführlichen Interpretation,
- während Sudhoff in einer breitangelegten, ertragreichen “Werkanalyse” Mays “Schamah” untersucht.
- Ihnen schließt sich Christoph F. Lorenz mit seinem Aufsatz “Das ist der Baum El Dscharanil” thematisch an, indem er eines der schwierigsten Motive aus den beiden letzten Bänden des Romans “Im Reiche des silbernen Löwen” auf seinen Sinngehalt hin überzeugend interpretiert.
- Für die Forschung, die sich besonders dem Alterswerk Mays zuwendet, ist es ein Gewinn, dass seit Kurzem das lange legendär gebliebene Werk “Frau Pollmer, eine psychologische Studie” vorliegt. Heinz Stolte analysiert dieses “Dokument aus dem Leben eines Gemarterten” kritisch-erhellend nach Inhalt und Struktur: ein ersichtlich von Panik, Hass und Verzweiflung diktiertes Bekenntnis aus dem intimsten Bereich und auf seltsamste Art ein Zwitter zwischen Wahrheit und Dichtung.
- Die Gestalt des gealterten Schriftstellers hat bekanntlich Hans-Jürgen Syberberg in seinem Karl-May-Film allegorisch und symbolistisch darzustellen versucht. Annette Deeken erfasst in ihrem differenzierend urteilenden Essay “Träume eines Geistersehers” entschieden die Ursachen für das Unbehagen, das dieser Film beim Publikum bewirken musste. Wenn Syberberg, wie Annette Deeken moniert, den “Geisterseher” und Träumer Karl May in Assoziationen zum Phänomen des “Dritten Reiches” setzt,
- so folgt man um so interessierter Günter Scholdt in seiner durch Fakten und Zitate angereicherten Untersuchung “Hitler, Karl May und die Emigranten”. Da Hitler sich als May-Fan zu erkennen gegeben hatte, konnte auf Seiten der Emigranten die Reaktion nicht ausbleiben: nichts konnte doch blamabler und dekuvrierender sein als das!
- Im Vergleich mit dem Spätwerk Mays, seiner allegorisch-symbolistischen Epik, ist verschiedentlich die Meinung vertreten worden, das ganze zeitlich davor liegende Erzählwerk sei absolut bedeutungslos. Dem widerspricht Bernd Steinbrink und macht in seinem ideenreichen Essay “Vom Weg nach Dschinnistan – Initiationsmotive im Werk Karl Mays” die innere Einheit des Gesamt sichtbar.
- Mit ausgreifender Hermeneutik leuchtet Walther Ilmer in “Das Märchen als Wahrheit – die Wahrheit als Märchen” wieder einmal in die innere Werkstatt dichterischen Schaffens.
- Der “Literaturbericht” ist seit Jahren ein unentbehrlicher Bestandteil des Jahrbuches, und so stellt auch diesmal wieder Helmut Schmiedt die außerhalb der Gesellschaft erschienenen Publikationen vor.
- Erich Heinemann berichtet über die 7. Tagung der Gesellschaft, die erneut bestätigte, daß die “Karl-May-Forschung ein legitimer Sprößling der Wissenschaft” ist.